15.03.2011

DINK 2011: Erfahrungen von der Loveparade 2010

Kongressbericht: Im Rahmen des Dt. Interdisziplinären Notfallmedizin Kongress (DINK) berichtete Dr. Marx von seinem Einsatz bei der Loveparade 2010 in Duisburg. Er referierte über die Vorplanungen für die Bereiche Sanitätsdienst und Krankenhäuser, den Großeinsatz im Tunnel und die Erkenntnisse für zukünftige Veranstaltungen.

Zunächst sprach Dr. Frank Marx, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst beim Feuerwehr- und Zivilschutzamt Duisburg, in seinem didaktisch und inhaltlich sehr guten Vortrag über die außerklinischen Planungen für die Loveparade (LOPA). Die Einsatzleitung wurde im Stabsformat aufgestellt, Einsatzabschnitte waren neben der medizinischen Versorgung der LOPA die Verstärkung des Regelrettungsdienstes der Stadt, der Brandschutz und der Abschnitt Versorgung. Drei Lagen wurden beplant: 1. LOPA ruhig und restliche Stadt ruhig. 2. LOPA ruhig, MANV in der Stadt. 3. MANV auf der LOPA, Stadt ruhig.

Am LOPA-Gelände und auf den Zuwegen wurden 40 Sanitätsstationen aufgebaut. Im LOPA-Bereich wurde ein Behandlungsplatz (BHP)-50 und ein Betreuungsplatz (BTP)-500 vorgehalten, in sekundärer Bereitstellung abseits des Geländes standen nochmals 4 BHP-50 und 4 BTP-500 bereit. Insgesamt waren ca. 1600 Einsatzkräfte im Bereich der LOPA und nochmal 2400 Kräfte in Bereitstellung vorhanden, darunter auch 12 Kräfte der Psychosozialen Unterstützung.

Im Vorfeld wurde versucht mit den Krankenkassen eine erweiterte, pseudostationäre medizinische Versorgung am Gelände zu vereinbaren, um Krankenhaustransporte zu vermeiden. Hierfür wurden Kosten von 50.000 € veranschlagt. Dies wurde von den Kostenträgern abgelehnt. Im Verlauf der Veranstaltung wurden ca. 450 Personen vom Rettungsdienst ins Krankenhaus transportiert, was den Kassen jeweils Kosten von ca. 1.200 € = 540.000 € verursachte. Hier sollte wohl bei künftigen Großveranstaltungen ein neuer Verhandlungsversuch unternommen werden.

Lobend erwähnte der Referent die exzellente Zusammenarbeit und die Vorbereitungen seitens der Krankenhäuser. Die Versorgungskapazitäten wurden erheblich erhöht, teilweise wurden Versorgungsstationen in Zelten vorgehalten. Überregional standen so ca. 700 zusätzliche Krankenhausbetten zuzüglich entsprechendes Personal zur Verfügung.

Dann berichtete Dr. Marx von seinem Einsatz als LNA bei dem Unglück im Tunnel ohne auf die Entstehung einzugehen. Sein erster Eindruck beim Eintreffen waren sechs laufende Reanimation im Bereich des Tunnels. Der Tunnel selbst konnte innerhalb von 20 Minuten geräumt werden, so dass Rettungsfahrzeuge direkt einfahren konnten. Die Sichtung wurde mit Hilfe von Patientenanhängekarten durchgeführt. Es bildeten sich spontan einige Patientenablagen im Schadensbereich. Rote Patienten wurden von dort direkt in die Krankenhäuser transportiert, gelbe und grüne zunächst zum aufgebauten BHP gebracht. Nach etwa 2,5 Std. war der Einsatz abgearbeitet.

Am Ende der Veranstaltung wurden 5.600 Patientenkontakte und 575 Krankenhaustransporte registriert.

Der 2. Deutsche Interdisziplinäre Notfallmedizin Kongress (DINK) fand vom 24. bis 26.02.2011 in Wiesbaden statt. Homepage: www.dink2011.de.

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3 Kommentare:

  1. Der vorgehaltene sanitäsdienstliche und rettungsdienstliche Struktur war selber eine Katastrophe, (Vorplanung, Kommunikation, Anpassung an die Lage, Einbinden von ärztlicher Fachkompetenz, Lagekenntnis, Führung) untauglich hinsichtlich der Todesrate.
    Für die Rettung von Menschenleben waren wohl andere fast aus dem Nichts aufgebaute, flexible, gut funktionierende Organisationsstrukturen verantwortlich!

    Die gesamte Struktur für Großschadenslagen in NRW gehört auf den Prüfstand, in wieweit sie gegeignet ist Menschenleben zu retten.
    BHP-50, BTP-B-500, PTZ-10 - alles große, unflexible Einheiten, wie im alten Katastrophenschutz der 80-er. Sie haben selbst bei vorheriger Bereitstellung kaum einen Einfluss auf die Todesrate nach technischer Rettung. Nur Fahrzeuge hinstellen reicht nicht. Alles muß dahin geprüft werden, ob Todesraten gesenkt werden können und nicht ob die Fahrzeuge schön stehen.

    Wir haben durchaus gut ausgebildete FAchleute im Rettungsdienst. Ihr Potential sinkt jedoch rapide bei diesen Strukturen. Wenn nicht zufällig die richtigen Leute vor Ort sind stellt sich die Frage, ob die Selbstrettung die richtige Handlungsoption ist.

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  2. Hhmm, das klingt nach einem Kommentar der recht nahe vom Geschehen kommt.
    Der erste Absatz deckt sich aber recht gut mit dem Bericht von Dr. Marx auf dem Kongress: Dieser hat auch die spontane Bildung kleiner Patientenablage-"Inseln" gelobt, die durch einzelne Fachkräfte durchgeführt wurde.
    Den wissenschaftlich fundierten Nachweis zu führen, dass eine bestimmte taktische oder strategische Herangehensweise die Sterblichkeit senkt, wird schwerlich möglich sein.
    Die Vorplanungen in NRW möchte ich ein wenig in Schutz nehmen. Natürlich sind groß angelegte MANV- / Ü-MANV-Einheiten schwerfälliger, dass liegt in der Natur der Sache. Es steht aber nirgends geschrieben, dass bei einer Lage mit 30 Verletzten zwangsläufig ein oder zwei BHP-50 aufgebaut werden müssen. Im Gegenteil: die Konzepte aus Köln ermutigen sogar, kritisch zu prüfen, ob derartige Lagen nicht auch über strukturierte Patientenablagen abgearbeitet werden können. Die Entscheidung liegt jeweils bei den Einsatzleitern...
    Vielen Dank für den Kommentar!

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  3. Ich finde es wichtig, dass die Vorredner sich kritisch mit Einsätzen auseinandersetzen. Einsätze zu analysieren und auch zu bewerten ist ein gefährliches Tabu in Deutschland.

    Methoden um verschiedene Taktiken zu bewerten gibt es durch aus, z.B. Emergotraining, etc..

    Wichtig auch die Analysen zu Madrid 2004:
    http://pdm.medicine.wisc.edu/Volume_22/issue_3/kamedo_90.pdf
    http://www.biomedsearch.com/nih/2004-Madrid-train-bombings-analysis/18217917.html

    Die NRW-Einheiten (mit FW-Dominanz, LNA hat zu kämpfen um seine Taktik durchzusetzen) sind im Aufbau und in der Führung statisch angelegt und sehr schwer dynamisch anzupassen.

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