24.07.2011

Doppelanschlag in Norwegen

Terrorismus: Die Terroranschläge um Oslo vom 22.07.2011, bei denen mindestens 76 Menschen den Tod fanden, wurden als Doppelanschlag ausgeführt. Dem Täter blieb für den zweiten Anschlag über eine Stunde Zeit, um beinahe 70 Menschen in einer Art Amoklauf zu erschießen.

Zunächst hatte der Attentäter Anders Breivik gegen 15:30 Uhr im Osloer Regierungsviertel offenbar selbst hergestellten Sprengstoff detonieren lassen. Hierbei entstand großer Sachschaden, in Relation zu der Sprengwirkung aber eine noch verhältnismäßig geringe Anzahl von 8 Todesopfern. Viele Menschen, die sonst in der Gegend arbeiten waren offenbar in Urlaub.

Etwa zwei Stunden später betrat der als rechtsextrem eingestufte Täter dann die Insel Utøya, auf der ein Jugendcamp der sozialdemokratischen Partei Norwegens im Gange war. Dort begann er einen beinahe 90 Minuten dauernden Amoklauf und tötete nach neuesten Erkenntnissen 68 Menschen, bevor er sich von einer Spezialeinheit der Polizei festnehmen ließ. Offenbar hatte der Attentäter auch Sprengstoff mit auf die Insel gebracht.

Damit handelt es sich aus taktischer Sicht um einen Mehrfachanschlag, wie er schon bei den Anschlägen auf den Nahverkehr in London und Madrid verübt wurde. In Oslo lag allerdings eine Latenz von ca. 1,5 Std. zwischen beiden Attentaten. Bei Mehrfachanschlägen machen sich die Täter einerseits die Überforderung der Einsatzkräfte durch mehrere nicht verbundene Einsatzorte zunutze. Gleichzeitig machen solche Mehrfachanschläge weiträumige Sicherheitsabsperrungen nötig, um nach weiteren Sprengsätzen zu suchen.

Zuletzt wurde Skandinavien im Dezember 2010 von einem Stufenanschlag in Stockholm heimgesucht, bei dem ein Täter zeitlich versetzt am gleichen Ort zwei Bomben zündete.

Die große Anzahl an Todesopfern bei dem Amoklauf auf der Insel erklärt sich u.a. aus folgenden taktischen Betrachtungen:
1. Die geographische Lage des Anschlagsorts: Eine Insel bietet naturgemäß wenig Raum zur Flucht, gleichzeitig war die anrückende Polizei nicht mit eigenen Mitteln in der Lage dorthin überzusetzen. In den Presseberichten ist auch keine relevante Beteiligung der organisierten Wasserrettung erwähnt. Möglicherweise hätte eine frühere Alarmierung entsprechender Wasser- oder Luftfahrzeuge das Intervall bis zum Eingreifen der Sicherheitskräfte verkürzen können. Eine isolierte geographische Lage muss folglich als Risikofaktor für einen Terrorakt gewertet werden.

2. Nach unbestätigten Presseberichten wurden die ersten Notrufe von der Insel mit Verweis auf die Vorgänge in Oslo abgewiesen, was zu einer verzögerten Alarmierung geführt haben könnte. Sollte sich dies als zutreffend erweisen, waren die Behörden wohl möglichen Zweitanschlägen gegenüber nicht sensibilisiert genug.

3. Die ersteintreffenden Polizeikräfte haben nicht sofort eingegriffen, sondern auf die Verstärkung aus Oslo in Form einer Spezialeinheit gewartet. Diese zögernde Haltung gibt dem Täter bei einer Amoklage Zeit, seine Tat ungestört fortzusetzen. Diese Erkenntnis hat bei der Polizei hierzulande zu einer Änderung der Einsatztaktik geführt: Statt auf Verstärkung zu warten haben die Beamten mehr und mehr die Order, so früh wie möglich einzugreifen, ohne zunächst auf Spezialkräfte zu warten.

Quellen / weiterführende Informationen:
- Chronologie des Doppelanschlags auf spiegel.de vom 24.07.2011

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Änderungsprotokoll:
26.07.2011
Anzahl der Todesopfer gemäß neueren Erkenntnissen aktualisiert. Weitere kleinere Details eingefügt

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