Forschung: Wie am Beispiel der aktuellen Grippesituation ablesbar, hat eine Pandemie nicht nur Folgen für die Gesundheitssituation der infizierten, sondern auch für das emotionale Befinden von nicht erkrankten. Diese sehen sich mit Ängsten vor Infektion oder Impfnebenwirkung konfrontiert und beanspruchen allein aus diesem Grund Ressourcen des Gesundheitswesens. Diese "emotionale Epidemiologie" einer Pandemie wird von Danielle Ofri im New england Journal of Medicine diskutiert (NEJM 361 (2009) 2594-5):
Nach Bekanntwerden des Ausbruchs machte sich eine panikartige Stimmung breit, und die Patienten fragten ständig nach einer Impfung (insbesondere auch Patienten übrigens, die die saisonale Grippeimpfung ablehnen).
Als dann nach sechs Monaten die Pandemie Realität war und eine Impfung zur Verfügung stand, war die Nachfrage nach letzterer weit weniger groß: Sie sei nicht getestet und zu schlecht verträglich, so die Argumente der Impfablehner.
Rational ist dieses Verhalten nicht zu erklären. Statt dessen scheinen gewisse Muster von emotionalen Reaktionen ("emotionale Epidemiologie") vorzuherrschen die mit dem Auftreten neuer Krankheiten verknüpft sind.
Taucht eine neue Erkrankung wie die H1N1-Grippe erstmals auf, infiziert sich die öffentliche Psyche rapide. Die Angst vor dem Unbekannten lässt die Menschen gierig auf eine Impfung werden. Mit der Zeit bildet sich jedoch eine gewisse Toleranz gegen den neuen "Schrecken".
Gegen Herbst änderte sich die Stimmung in der Bevölkerung erneut: Eine gewisse Ungeduld war zu spüren, verbunden mit der Erwartung, dass das H1N1-Problem doch längst gelöst sein sollte. Dass dies nicht der Fall war erzeugte Misstrauen gegenüber dem Gesundheitssystem. Gleichzeitig wurden die kostenlosen Impfangebote jedoch kaum genutzt.
Diese Erfahrungen zeigen, dass es unzureichend ist einer neuen Infektionskrankheit rein medizinisch-epidemiologisch zu begegnen. Die emotionale Epidemiologie hat einen eigenen, von der tatsächlichen Infektionssituation mehr oder weniger unabhängigen Verlauf, führt jedoch gleichfalls zu einer Belastung des Gesundheitssystems.
Diese Betrachtungen können bei der Planung für zukünftige Ausbrüche von Nutzen sein.
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